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Warum nutzen Sie Ihre Stärken nicht?

Ich freue mich, heute einen Gastartikel von Michael Tomoff zu veröffentlichen. Michael ist als Diplom-Psychologe, Berater und systemischer Coach in Köln und Deutschland unterwegs und bloggt über (Positive) Psychologie und Potentialentfaltung unter Was Wäre Wenn.

Nun zum Artikel:

Sie kennen es, das Gefühl, eins zu sein mit Ihrer Aufgabe. Die Zeit nicht zu bemerken, weder Hunger noch Durst zu spüren.

Es ist der Flow, der sie durchströmt.

Sie kennen weiterhin auch den guten Rat, Ihre Stärken zu stärken, anstatt an Ihren Schwächen zu arbeiten.

Alles alte Hüte, alter Wein.

Und trotzdem erwischen Sie sich regelmäßig dabei, wie Sie an großen Schwächen arbeiten, Ihre „roten Balken“ auf Ihrer Fähigkeitsliste beackern und Ihr Portfolio auch dort etwas anheben, wo Sie überhaupt keine Lust dazu haben.

Warum ist das so?
Warum nutzen Sie nicht Ihre Stärken, bauen Sie sogar noch aus und werden der Spezialist, der Sie möglicherweise bereits sind?

Fehlt Ihnen das nötige Wissen?

Wissen vs. Tun

In einer Ära der Selbstentwicklung und Quellen wie dem Internet wissen wir, was wir zu tun haben. Beziehungsweise zu tun hätten.

Wenn wir ein Buch schreiben wollen, verschaffen wir uns störungsfreien Raum, setzen uns jeden Tag eine gewisse Zeit, damit wir unsere zwei Seiten bewältigen und speichern unseren Fortschritt in der Cloud, damit auch nichts verloren geht. Vielleicht nutzen wir sogar eine harte Deadline und Tausende von Gleichgesinnten (NaNoWriMo).

Wenn wir abnehmen wollen, bedienen wir uns einer ausgewogenen Ernährung mit Einschränkung des Fett- sowie Fleischkonsums und mehr komplexen Kohlenhydraten aus Getreide, Obst und Gemüse.

Wenn wir einen Streit schlichten möchten, überwinden wir unseren Stolz und entschuldigen uns bei unserem Partner und zeigen, dass wir Verständnis für die andere Sichtweise haben.

Wenn wir uns nicht mehr ungerecht behandeln lassen wollen, trennen wir uns von einer Person, Beziehung oder einem Job.

Alles kein Hexenwerk.

Warum schreiben wir das Buchkapitel oder unseren Blogpost nicht, sondern checken Facebook, schicken noch schnell einen Tweet oder senden die längst überfällige Email und prokrastinieren die eigentliche Aufgabe?

Warum essen wir Pommes – nur heute, zur Feier des Tages – anstatt Gemüse?

Warum sprechen wir nicht mit unserem Partner, wenn die Zeiten schwierig sind, sondern sind trotzig, verschlossen und warten ab, bis der andere den ersten Schritt macht?

Warum verlassen wir jemanden nicht, der uns schlecht behandelt?

„Wer etwas will, der findet Wege. Wer etwas nicht will, der findet Gründe.“Götz Werner, Gründer und Aufsichtsratmitglied von dm-drogerie markt

Es ist nicht das Wissen, das uns fehlt, denn wir kennen – gerade in Gebieten, die uns interessieren – oft jeden einzelnen Schritt zum Ziel. Viele haben es schon genau so gemacht und sind damit erfolgreich gewesen.

Beispiel aus eigener Erfahrung: Vor nicht allzu langer Zeit habe ich ein Training zu Positiver Psychologie mit einem guten Freund gehalten, dessen Trainerfähigkeiten ich jedoch noch nicht kannte. Er war jedoch mit dem Kunden befreundet und deshalb sehr nah. Ich verließ mich auf seine Beziehung zu unserem Kunden und ging auf Abläufe, Vorgehensweisen und Strukturen ein, die ich sonst nicht gewählt hätte, weil ich davon ausging, „dass es schon passte“.

Doch ein Training ist ein Training. Und abgesehen von besonderen Vorlieben des Kunden gibt es Grundfesten, die nicht verletzt werden und in jedem Training dabei sein sollten.

Mitten im Training warfen wir geplante Teile um, verlagerten nach konstruktiver und trotzdem schmerzender Kritik der Teilnehmer unseren Plan um und bekamen das Training und damit auch die Teilnehmer wieder in den Griff. Eine unnötige Erfahrung.

Frage aus der Praxis zum Thema Wissen: Wenn Sie doch einmal nicht wissen sollten, wie Sie besser machen könnten, fragen Sie sich zur Abwechslung, was Sie tun müssten, um es schlimmer zu machen.

Wenn es also nicht das Wissen ist, liegt es an unserer Erziehung und dem, was wir von unseren Eltern oder Freunden mitgenommen haben?

Glaubenssätze vs. eigene Erfahrung

Es gibt zahlreiche einschränkende Sätze, die wir unbewusst von Eltern, Bekannten und Freunden aufgenommen und so oft gehört haben, dass sie zu einer Wahrheit geworden sind. Wir haben begonnen, an sie zu glauben.

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ ist ein Satz, der schon viele schöne Aufgaben in ihrem Spaß gemildert hat, weil viele Menschen früher vermittelt bekommen haben, dass Arbeit keine Freude machen dürfe. Sonst wäre es ja keine Arbeit.

„Ich habe nicht genug Geld“ verleitet uns dazu, erst „niedere Arbeiten“ zu tun, um das nötige Kleingeld für unsere eigentliche Leidenschaft aufzubringen. Und das dauert teilweise Jahre, denn wir wollen auf Nummer sicher gehen. Später haben wir uns daran gewöhnt und wollen diesen Nebenjob oft nicht mehr aufgeben.

„Ich bin nicht ausgebildet genug“ lässt uns viele nette Menschen in vielen netten Weiterbildungen und Seminaren kennenlernen, die ebenso noch ein wenig Wissen benötigen, um wirklich anfangen zu können. Die Weiterbildungsindustrie lebt dadurch sehr gut.

Beispiel aus eigener Erfahrung: Ich, damals noch junger Coach, hatte teilweise die offene, teilweise auch indirekt im Raum stehende Frage „Wie alt sind Sie eigentlich?“ zu bewältigen. Für mich schwang der Zweifel an genügend Erfahrung (richtig) und ungenügenden Fähigkeiten (falsch) von meinem Gegenüber mit.

Aus eigener Erfahrung kann ich Jahre später berichten, dass auch junge, unerfahrene Coaches einen großen und frischen Mehrwert bieten können, den gerade ältere Kollegen und Kolleginnen nicht (authentisch) mitbringen. Ein mir sehr werter Kollege aus München gab mir vor kurzem eine ebenso wichtige Lektion aus seinem Leben mit: „Wichtig ist oft nicht, wie viel Erfahrung man hat. Wichtig ist, wie leidenschaftlich man an seine Arbeit geht. Erfahrung kann man sich erarbeiten. Leidenschaft nicht.“

Frage aus der Praxis zum Thema Glaubenssätze und Erfahrung: Wann hat die eigene Erfahrung ausgereicht? Wann haben Sie mit etwas Geld verdient, das Ihnen Spaß gemacht hat? Wann haben Sie mit wenigen Mitteln etwas Tolles auf die Beine gestellt? Wann haben Sie sich ins Getümmel gestürzt, sich vorher nicht mehr vorbereitet und trotzdem einen Erfolg gefeiert?

Aber warum ist die Implementierung trotzdem so schwer? Was hält Sie davon ab, Ihr Wissen und Ihre Erfahrung in die Tat umzusetzen? Was hält Sie auf?

Perfektionismus vs. Pareto

„A good plan, violently executed now, is better than a perfect plan next week.“
George S. Patton, US General

Viele Menschen – und gerade auch Unternehmensgründer – stehen vor einer großen Anzahl von Entscheidungen und exzessiver Planung. Wer sind meine Partner? Woher bekomme ich das Geld für die Gründung und wie halte ich mich finanziell die ersten Monate oder Jahre über Wasser? Wer ist meine Zielgruppe, was mein Mehrwert? Werden mich die Kunden für zu jung oder unerfahren halten (siehe weiter oben)?

Das Paretoprinzip, benannt nach ihrem Entdecker, dem italienischen Ingenieur, Ökonom und Soziologen Vilfredo Pareto, besagt, dass 80% der Ergebnisse in 20% der Gesamtzeit eines Projekts erreicht werden. Die verbleibenden 20% der Ergebnisse benötigen 80% der Gesamtzeit und verursachen die meiste Arbeit (deshalb auch bekannt als 80-zu-20-Regel).

Pareto fand dieses Prinzip nicht nur bei der Planung und Durchführung von Projekten, sondern auch bei der Verteilung des Bodenbesitzes in Italien und anderen Gebieten. Pareto warnt jedoch, dass diese Regel nur gilt, wenn die Elemente des betrachteten Systems unabhängig voneinander sind. Und obwohl die planerischen Elemente von z.B. einer Unternehmensgründung größtenteils voneinander abhängig sind, hat die Zeit der Planung nichts mit dem Erfolg des Projektes zu tun.

Jede Reise beginnt mit einem ersten kleinen Schritt. Vorher ist es keine Reise, sondern eben nur ein Plan.

Beispiel aus eigener Erfahrung: Am Anfang meiner eigenen Coaching-Karriere hatte ich die wunderbare Gelegenheit, junge Kollegen intern zu Coaches weiterzubilden. Ich fühlte mich teils unvorbereitet und zweifelte an meiner imperfekten Ausarbeitung des Curriculums. In Retrospektive war aber vieles dynamisch und nicht vorherzusehen und deshalb die Vorbereitung auch vollkommen ausreichend.

Frage zum Thema Planung: Wie genau müssen Sie das, was Sie tun, vorher planen? Wo tun Ihnen oder Ihrem Job bestimmte Freiheitsgerade aufgrund von Spontanität gut? Wo ist der Faktor Zeit bis zum Beginn kritischer als der Perfektionsgrad der Planung? Welche Eventualitäten sind so unwahrscheinlich, dass Sie sich wirklich noch keinen Kopf darum machen sollten?

Angst vs. Mut

Der – meiner Meinung nach – größte Aspekt, warum wir nicht das tun, was wir wissen, ist unser Bedürfnis nach Sicherheit. Wir entwickeln uns lieber schrittweise, mit Babyschritten. Wir stolpern lieber in unsere Entwicklung als dass wir uns hineinstürzen. Wir müssen größtenteils nicht aus der Komfortzone heraus, um etwas auf die Beine zu stellen.

Und dennoch ist die Angst, Fehler zu machen, eine der größten in vielen Unternehmen. Oder noch schwerer: Fehler nach ihrem Auftreten bei Kunden einzugestehen („Das versaut mir den Kunden“; „Das wirkt unprofessionell“, etc.).

Es ist die Angst vor öffentlicher Schmach, wenn das Buch dann doch nicht zu Ende geschrieben wurde.
Es ist die Angst vor der unkomfortabler Veränderung, wenn das Gemüse dem Fleisch gegenüber jetzt häufiger auf der Agenda steht. Und das, nachdem es mittlerweile nicht einmal mehr „cool ist“, Vegetarier zu sein.
Es ist die Angst vor Zurückweisung, wenn man sich bei der Partnerin entschuldigt und trotzdem noch miese Stimmung herrscht.
Es ist die Angst vor Einsamkeit, wenn man sich nicht von jemandem trennt, der einen schlecht behandelt. Egal ob in einer Paar- oder einer Berufsbeziehung.
Wir sind sehr gut darin, diese Dinge zu verhindern und kommen deshalb kreativ mit neuen Ideen, um genau das zu tun.

Wenn Sie zurück blicken auf Ihr bisheriges Leben, werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit sehen, dass Sie immer die Dinge nach vorne brachten, die schwitzige Hände hervorgerufen haben. Das waren die lernintensivsten Situationen mit dem größten Potential, die eigenen Stärken zu entdecken und zu fördern.

Wie können Sie die eigenen Ängste überwinden?

Es gibt mindestens zehn Wege, wie Sie Ihren Ängsten Einhalt gebieten und sie überwinden können. Mein Favorit bringt uns zurück zu der Überschrift dieses Beitrags: Das Nutzen dessen, was Sie am besten können.

Herausfinden der eigenen Stärken: Wenn Sie nicht schon zu den Menschen gehören, die Ihre eigenen Träume in die Tat umsetzen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie kurz davor sind und nur noch hadern.

Was können Sie tun?

  • Notieren Sie Ihre Stärken und überlegen Sie, worin Sie schon Erfolge hatten, die Sie nicht viel Arbeit gekostet, sondern sogar Spaß gemacht haben
  • Machen Sie einen (teils sogar kostenlosen) Stärkentest und finden Sie heraus, was Sie gut können
  • Fragen Sie eine Handvoll Ihrer Freunde und wählen Sie am besten jene, die Ihnen nicht immer nur nach dem Mund reden
  • Geben Sie sich ehrlich ein paar Antworten auf folgende Fragen:
    • Was hält Sie noch ab?
    • Was kostet es, diesen Glauben aufzugeben?
    • Was wäre der Vorteil, etwas zu glauben wie „Wenn Sie Ihre Stärken ausspielen, werden Sie mehr von dem Menschen, der Sie bereits sind“?
    • Worauf freuen Sie sich wie ein Kind, bevor Sie es tun?

Haben Sie Ihre Stärken in ihrer Essenz und Klarheit vor sich liegen, überlegen Sie, wie Sie sie noch besser in Ihrem Job einbringen können. Möglicherweise kann ein anderer für Sie planen, wenn Sie eher der Ärmel hochkrempelnde Typ sind und „auf die Straße wollen“. Vielleicht können Sie schnell gute Beziehungen zu Menschen aufbauen – dann sollten Sie evtl. eher persönliche Gespräche oder Telefonate führen als Emails zu schreiben. Eventuell sind Sie sehr kreativ. Dann verschwenden Sie Zeit, wenn Ihr Tag primär aus sich wiederholenden Schreib-, Sortier- oder Rechenaufgaben besteht.

Fazit: Nutzen Sie mutig das, was in Ihnen steckt und lernen Sie aus jedem „Misserfolg“. Aber vorher finden Sie heraus, was genau das eigentlich ist!

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